Meine theologischen Lieblingstexte – Part I

Der Blog-Post gestern hat mich an einen Text erinnert, der mich seit gut 5 Jahren begleitet. Dieser Text hat mein theologischen Denken stark geprägt. 
Ich finde, er bringt einzigartig verständlich und einfach und doch tief zum Ausdruck, was es mit der Liebe auf sich hat.

Bevor du jetzt gleich den Text liest, noch ein Tipp: Ich glaube der Text ist dann am Gewinnbringendsten, wenn man ihn ganz LANGSAM, Wort für Wort liest! Jedes Wort ist mit Bedacht gewählt und es lohnt sich nach jedem Satzabschnitt kurz innezuhalten und über das Gesagte nachzudenken. Wenn du durch den Text durchrast, wie durch einen Tagesschau-Artikel, wirst du was verpassen. Also: slowly!! It's deep stuff! ;-) 

Viel Spaß mit diesem Juwel:

"Das Natürliche ist doch eher die Vorstellung, daß die menschliche Sehnsucht nach erfülltem Leben (also nach Heil) dadurch gestillt wird, daß einem Menschen Liebe begegnet und zuteil wird, anstatt daß er sich auf ein Gegenüber hin ausrichtet und sich ihm zuwendet. [...]

Es gehört jedoch zu dem nicht aufhebbaren Geheimnis der Liebe, daß Menschen gerade in der – nicht berechnenden – Zuwendung zu einem anderen Erfüllung finden und so zugleich zu sich selbst kommen.

Der Mensch erreicht seine Bestimmung zum Ebenbild des Gottes, dessen Wesen die Liebe ist, indem er von der Fixierung auf sich selbst frei wird und gerade so sich selbst findet. Nie ist ein Mensch mehr bei sich selbst, als wenn er selbstvergessen für einen anderen da ist. [...]

Zu solcher selbstvergessenen Zuwendung muß ein Mensch aber dadurch erst befähigt werden, daß ihm Liebe zuteil wird, die er sich nicht verdienen kann und nicht verdient hat. Wer sich geliebt weiß, wer also aus empfangener Liebe lebt, dem ist die Sorge um sich und um sein Heil abgenommen, und er kann sich darum anderen selbstvergessen zuwenden, ihnen die Erfahrung des Geliebtwerdens vermitteln und darin zugleich Erfüllung finden." 

Die Zeilen finden sich in Wilfried Härles Dogmatik, S. 530-531.

Stimmt ihr Härle zu? Seht ihr das anders?

Wann ich richtig schlucken muss...

Intuitiv würde ich erwarten, dass ich meistens dann richtig schlucken muss, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert: Eine Bekannte bekommt die Diagnose Krebs, eine Freund trennt sich von seiner Partnerin, irgendwo bricht ein Krieg aus. 
Ja, das sind alles sehr herausfordernde Dinge, aber komischerweise haut mich das nicht so richtig um. 
Warum? Ich glaube, es liegt daran, dass ich ein Stück weit mit negativen Nachrichten rechne und deshalb nicht wirklich davon überrascht werde.

Wann muss ich also richtig schlucken?

GESTERN

Gestern war so ein Moment.
Ich sitze mit meinem kleinen Sohn auf dem Schoß bei unserem Steuerberater. Er erklärt mir eine Weile lang unsere Einkommenssteuererklärung. Er hat alle Belege durchgeschaut, Zahlen eingetragen, zusammengerechnet. Dann reicht er mir ein Papier, das detailliert auflistet, was die Vorteile einer Veranlagung zusammen mit meiner Frau wären und was die Vorteile, wenn wir getrennt veranlagt würden. Es ist alles ein bisschen kompliziert. Er wird alles elektronisch beim Finanzamt einreichen.
Ich sitze da und denke: Mann, war das eine Arbeit! Wie lang er für all das wohl gebraucht hat?

Und dann frage ich: "Ok, vielen Dank und was bekommen sie jetzt finanziell?" Und er sagt: "Nichts. Das passt so." 
Da musste ich schlucken. Da war ich wirklich überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet. 
Die einzige Erklärung, die ich habe, ist dass er wohl irgendwie die Familie meiner Frau ein bisschen kennt.
Aber das ist eigentlich noch keine Erklärung.
Ich war echt baff. Ich saß da und dachte: "Er hat sich so viel Mühe gemacht und jetzt will er gar nichts dafür. All die Arbeit für uns ohne dass er davon was hat?? Wo gibt es denn sowas?"

DAS HAUT MICH UM

Mir ist das schon öfter so gegangen. Immer, wenn ich irgendwo echter Liebe begegne - Liebe, die etwas einfach so für den anderen tut, ohne davon selber einen Vorteil zu haben -, dann berührt mich das sehr. 
Ob das in einem Film, einer Geschichte, die jemand erzählt oder eben beim Steuerberater ist.

Ich muss dann schlucken, weil ich spüre, dass ich gerade Zeuge davon werde, wie das Leben eigentlich sein sollte. Ich merke, dass wir Menschen dazu bestimmt sind. Zu lieben. Uns selbst zu verlassen, zu verlieren. Für jemand anderen. Zu dessen Vorteil. Und während wir uns verlieren, finden wir uns selbst, wie sonst durch nichts.

Echte Liebe ist etwas so unglaublich Schönes. Sie hat eine Würde und Reinheit. Ein Glanz umgibt sie. Wenn ich ihr begegne, versagen meine Worte und ich muss schlucken. So schön und echt.  

Ein unkonventioneller Blick auf Situationen & Menschen, die dich an deine Grenzen bringen

Eine Sache, die wir alle gemeinsam haben, ist die, dass jeder von uns immer wieder Situationen und Menschen in seinem Leben hat, die ihn an seine Grenze bringen.

Ein Kind, das nicht aufhören will zu schreien.
Ein Chef, der ungerecht und launisch ist.
Ein Streit mit deiner Freundin, Ehemann, Schwiegermutter, Bruder, Nachbarin...
Stau.
Ein Beamter, Bankangestellter, Vodafone-Mitarbeiter, der es einfach nicht auf die Reihe kriegt.
Ein Teammitglied, das hinten rum Lügen erzählt.

Meistens reagieren wir auf solche Situationen verärgert. Wir empfinden es als unangenehm, so "genervt" zu werden. Die Situationen fordern uns heraus. Es fühlt sich nicht gut an.
Wir merken, dass wir an unsere Grenzen kommen. Die Grenzen unserer Geduld, unseres Verständnisses, unserer Kraft, unserer Motivation, unserer Freundlichkeit usw.

Kennst du das - dieses an deine Grenzen kommen?

BLICKWECHSEL

Ich will heute vorschlagen, dass wir aufhören, all diese vielen schwierigen Situationen in unserem Leben als negativ abzuqualifizieren und dementsprechend verhindern zu wollen.
Vielmehr plädiere ich dafür, dass wir anfangen, all diese Situationen als Geschenke dankbar anzunehmen.

Warum? Wie komme ich auf so was?

EIN GESCHENK

Es steckt schon im Wort "an die Grenze kommen". Ist es nicht ein enorm positiv, wenn dich etwas an DEINE Grenze bringt? Denn jetzt weißt du ganz genau, WAS deine Grenze überhaupt ist. All diese schwierigen Situationen sind Augenöffner. Sie führen dir einfach nur drastisch vor Augen, wie weit deine Comfort Zone gerade reicht. Du siehst plötzlich ganz deutlich, wo deine Grenzen der Geduld/Freundlichkeit/Kritikfähigkeit/usw. gerade verlaufen. 

Das ist deshalb so positiv, weil ja niemand sagt, dass diese Grenzen irgendwie FIX wären. Es sind nur deine, aktuellen Grenzen. Andere Menschen haben ganz andere Grenzen. 
Das heißt, dass du irgendwo an deine emotionalen, physischen, wirtschaftlichen Grenzen gekommen bist, ist nicht das Ende, sondern erst der ANFANG. 
Jetzt geht's eigentlich erst richtig los. Natürlich nur, wenn du eine proaktive Lebenseinstellung hast und nicht in der Opfer-Rolle lebst.

DIE ERWEITERUNG

Du hast jetzt die Riesenchance deine Grenzen aktiv zu ERWEITERN. Du weißt jetzt, was bisher dein Level an z.B. Geduld in einer bestimmten Situation war, weil dir das dankenswerterweise die Person an der Aldi-Kasse, die ewig braucht, um alles aufs Band zu legen, vor Augen geführt hat.
Und jetzt kannst du loslegen, an dir zu arbeiten, dass sich deine Grenzen vergrößern, verschieben. Du weißt jetzt, wo du ran musst.

Und dann geht's los, dass du dir überlegst, wie du in diesem bestimmten Bereich, das nächste Mal eine bisschen größere Comfort Zone hast. Du gehst die nötigen Schritte (viele Posts in diesem Blog handeln davon, wie) und gewinnst Lebensraum.

Ich wünsch dir, dass du ein Mensch mit WEITEN Grenzen bist. Einer, der eine breite Comfort Zone hast. Eine, die so leicht nichts umhaut, die gelernt hat, das Schwierige wertzuschätzen und zu lieben. 

Deshalb lasst uns doch diese Woche versuchen, jedem Menschen innerlich "Danke!" zu sagen, der uns an unsere Grenzen bringt. Es ist nämlich nicht sein Problem, dass wir durch sein Verhalten an unsere Grenzen kommen, sondern unseres. Und das aufgezeigt zu bekommen, ist ein Grund zur Freude. :-)   

Die kleinen Taten

Heute ein interessantes Zitat von George Marshall, amerikanischer General im zweiten Weltkrieg. Marshall erhielt den Friedensnobelpreis. Er entwickelte den nach ihm benannten "Marshall-Plan" zur Versorgung eines hungernden Westeuropas nach dem Krieg.

Das ist der Mann:













Was wird wohl ein Mann, der solch einen gigantischen Plan (es ging um mehr als 10 Milliarden) wohl zu sagen haben? Etwas Überraschendes:

                „Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant.“ 

Ich glaube, fast alle großen Veränderungen im Leben fangen im Kleinen an. Aus einem kleinen Samen wird eines Tages ein großer Baum.

Darum: Verachten wir die kleinen Schritten, die kleinen Taten nicht! Vielmehr: Schätzen wir sie wert! Sie bringen uns voran und aus ihnen entsteht auf lange Sicht Großes.

Zu alt?

Hallöchen!

Ich bin wieder gut aus dem Urlaub zurück und freu mich jetzt wieder aufs Bloggen.

Heute Morgen hab ich im 1. Buch Mose (Genesis) in Kap. 12 gelesen. In Kap. 12 geht es das erste Mal in der Bibel um Abraham, den großen Abraham, der Urvater, der für das Judentum, das Christentum und den Islam eine so wichtige Rolle spielt. 
Abraham wird von Gott gerufen, alles hinter sich zu lassen und in das Land Kanaan zu ziehen. Gott will dort mit ihm etwas Neues beginnen.

Eine Sache, die mich einfach immer wieder fasziniert, ist, wie alt Abraham ist, als Gott ihn ruft, als seine Geschichte so richtig beginnt: Er ist 75(!) Jahre alt! (Kap. 12,4).

So oft hör ich um mich rum:
"Oh, jetzt werd ich schon 30."
"Ah, dafür bin zu alt."
"Das geht jetzt nicht mehr. Ich steh schon kurz vor der Rente."
"Der Zug ist für mich abgefahren. Da hätte ich früher anfangen müssen." Usw.

Wenn Gott Abraham mit 75 gerufen hat, neues Land einzunehmen, könnte es sein, dass er auch mit dir und deiner Geschichte noch lange nicht am Ende ist?

Ich glaube, Gottes Perspektive darauf, wann was geht und wann was nicht geht, ist oft sehr anders als die unsere.

Sei gespannt und voller Erwartung! Er hat Großes mit dir vor! Egal, wie alt du bist...

Urlaub!

Liebe Freunde,

ich bin jetzt erstmal ne gute Woche im Urlaub und freue mich auf eine email-/ und computerlose Zeit.

Wenn ich wieder zurück bin, geht's natürlich weiter mit Posts zu allen möglichen Themen. 

Wenn ihr Lust hättet auf eine Themenreihe zu einem bestimmten Thema o.ä., schreibt mir gerne eine Email (durchsfernglas@blogspot.com) oder hinterlasst einen Kommentar!

Ich wünsch dir eine richtig schöne Woche, in der du dem Geheimnis des Lebens ein bisschen mehr auf die Spur kommst.

Nikolai

Angst vor Freiheit?



Das ist Henry Miller. Er war ein berühmter amerikanischer Schriftsteller und Maler.





















Er hat mal einen Satz gesagt, der mich sehr beschäftigt.

Der Zweck von Selbstdisziplin ist es 
Freiheit zu fördern.
Aber Freiheit führt zu Unendlichkeit
und Unendlichkeit ist erschreckend.

Ich finde, Miller bringt hier etwas sehr passend zum Ausdruck. Zum einen gibt es wahre Freiheit nur durch Selbstdisziplin – Freiheit und Selbstdisziplin sind kein Gegensatz, sondern gehören zusammen. Und zum anderen haben wir Menschen oft Angst vor wahrer Freiheit, weil sie uns etwas vom "Unendlichen" schmecken lässt. 

Kennst du dieses Erschrecken vor der Unendlichkeit?

"Ehre deinen Vater und deine Mutter!" – Aber wer?

Das 4. Gebot aus 2. Mose 20,12 wird oft herangezogen, um Kinder darauf hinzuweisen, dass Gott will, dass sie sich ihren Eltern unterordnen.

Was aber viele nicht wissen, ist, dass es zur Abfassungszeit klar war, dass sich alle 10 Gebote an erwachsene Männer richten und nicht an Kinder (Eine Frau oder ein Kind würde kaum "die Frau deines Nächsten" begehren...).

Beim 4. Gebot geht es dementsprechend primär um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Eltern in hohem Alter, wenn sie nicht mehr arbeiten können, finanziell und materiell versorgt sind. Dafür sollen dann die erwachsenen Kinder Sorge tragen.

Interessant, wie sich die Bedeutung verändert, wenn man den Kontext ein bisschen beachtet, oder?

Zum Thema, wie das generell mit den alttestamentlichen Geboten nach dem Kommen Jesu zu handhaben ist, schreib ich mal ein ander Mal ein paar Gedanken...

Eine schöne Wochen euch!

Ein erster Schritt im Umgang mit Enttäuschungen

Heute ein paar Worte zum Thema Enttäuschungen.

Eine Enttäuschung entsteht, indem es bei dir eine Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfahrung gibt. Umso größer der Abstand zwischen Erwartung und Erfahrung, desto größer die Enttäuschung. 

WAS WIR (NICHT) BEEINFLUSSEN KÖNNEN

Was wir erleben oder erfahren, können wir oft nur wenig beeinflussen (ob die Sonne scheint, ob wir den Job kriegen, ob mich jemand zum Geburtstag einlädt, ob es die Fußballschuhe in meiner Größe gibt, usw.).

Was wir allerdings sehr stark beeinflussen können, ist unsere Erwartung. Unsere Erwartung an uns selbst, an Freunde, Ehepartner, Politiker, an Situationen, das Wetter...

ZU VIEL ERWARTET

Meine Erfahrung ist, dass wir viel zu oft viel zu viel von unseren Mitmenschen erwarten und dann sind wir enttäuscht, wenn die Realität ganz anders ist: Student-Sein ist doch nicht immer die beste Zeit des Lebens, Freund xy hat doch auch Macken, unsere Beziehung ist anstrengender als in den Filmen, ...

ENT-TÄUSCHUNG

Aber vielleicht ist diese Enttäuschung ja auch was Gutes. Es ist ja eine Ent-Täuschung. Klar ist das schmerzhaft, wenn man aus seiner Traumwelt gerissen wird, wenn einem jemand die Traum-Seifenblase zersticht, aber immerhin lebt man dann nicht mehr in einer Täuschung. Wer will schon in einer Scheinwelt leben?

Aber worin besteht die Täuschung, der wir so oft erliegen? Wovon werden wir ent-täuscht?

Wenn ich von meinem christlichen Welt-/ und Menschenbild herkomme, dann glaube ich, dass die Täuschung darin besteht, dass wir oft ein Idealbild von uns und anderen haben, dem wir in der Realität aber leider nicht entsprechen. 

Aber wir erwarten dann trotzdem, dass wir und andere uns diesem Idealbild entsprechend verhalten und sind dann geradezu schockiert, wenn wir Menschen ständig hinter diesem Idealbild zurückbleiben.

Das heißt nicht, dass unsere Traumwelt oder unsere Idealvorstellung falsch wären. Es heißt nur, dass es leider nicht so ist. Es ist eine Täuschung zu denken, dass irgendjemand diesem Anspruch gerecht wird.

ERWARTUNGEN ANPASSEN

Wenn du Lust hast auf ein Leben mit weniger Ent-Täuschungen, dann ist vielleicht ein guter Startpunkt, zu überlegen, welcher Täuschung du immer wieder erliegst.
In einem zweiten Schritt kannst du dann deine Erwartungen an die Realität anpassen und so wird du wesentlich weniger oft von irgendwelchen negativen Situationen überrascht.

Die Realität anzuerkennen, heißt dann aber natürlich noch nicht,  dass ich die Realität auch gut finde und mich darüber freue, dass wir ständig hinter dem zurückbleiben, was möglich wäre. 
Weniger Ent-Täuschung ist nicht gleichzusetzen mit Freude oder Fröhlichkeit.

Aber es ist zumindest mal ein erster Schritt.

UND DANN?

Die Frage, die sich dann natürlich anschließen muss, ist die Frage danach, warum wir dauernd Dinge tun, die dieser Idealvorstellung nicht entsprechen und wie wir da raus kommen.

Aber das ist ein Thema für einen nächsten Post. :-)