Alles hat seine Zeit oder warum man manchmal länger braucht, wenn man sich beeilt















Am Stuttgarter Flughafen gibt es am Eingang eine riesen Drehtür. Sie ist in zwei Teile geteilt und dreht sich automatisch. Sie dreht sich allerdings seeeehr langsam. Was an einem Ort, an dem viele Leute in Eile sind, immer wieder dazu führt, dass jemand versucht, von innen gegen die Drehtür zu drücken, damit's schneller geht.
Und genau dann passiert immer das, was alle extrem nervt: Die Drehtür dreht sich noch langsamer. 
Manchmal gibt es dann ganz Hartgesottene, die, sobald sich die Drehtür wieder in normaler Geschwindigkeit weiterdreht, sofort wieder dagegen drücken und das ganze Spiel wiederholt sich von vorne.

Da ich das System Drehtür mittlerweile durchschaut habe (gibt's ja nicht nur am Flughafen, sondern auch in der UB etc.), hoffe ich immer, wenn ich drin bin, dass die Leute der armen Türe einfach ihre Zeit geben. 

Denn bei der Drehtüre gilt: Wer drängelt, verliert! Wer sich beeilt, braucht länger! Wer Druck macht, darf warten!

Die schnellste Art, wie man durch eine Drehtüre hindurch kommt, ist, indem man gar nichts macht und die Drehtür einfach ihr Tempo machen lässt.

BEEIL DICH!

Ich finde, dass wir in einer Zeit leben, in der einem dauernd vermittelt wird: Beeil dich! Gib Gas! Mach schneller! Kürz ab! 
Man bekommt manchmal das Gefühl, dass das Allheilmittel für mehr Erfolg in allen Lebensbereichen Stress ist.

Aber oft stimmt das einfach NICHT. Denn gibt es Situationen in unserem Leben, die sind wie die Drehtüre am Stuttgarter Flughafen. Sie brauchen ihre Zeit und wenn wir uns beeilen, brauchen sie sogar noch länger.

Kennst du solche Situationen? 

In der Bibel, im Buch Prediger, gibt's einen Vers, der heißt: Alles hat seine Zeit (Kap. 3,1)

Ich versuche in letzter Zeit immer wieder bewusst zu fragen, wieviel Zeit das braucht, was ich gerade mache bzw. welche Zeit das hat, was gerade ansteht. Weil so oft hetz ich rum und bin nicht nur gestresst, sondern brauch nachher sogar länger durch meinen Stress.

EIN PAAR BEISPIELE

In vielen Beziehungen mit anderen Menschen geht's mir so. Manche Dinge brauchen Zeit: Sich besser kennenlernen braucht Zeit. Wer bei jemandem, den er neu kennengelernt hat und dessen Freund er so gerne wäre, zu sehr auf die Tube drückt, bremst oft eher den Prozess oder die Drehtüre bleibt sogar ganz stehen. Das gilt vor allem, wenn du mit der Person nicht nur befreundet, sondern zusammen sein willst ;-).

Oder es gab einen Streit, eine Meinungsverschiedenheit, ein Missverständnis und es braucht einfach Zeit, bis wieder Vertrauen wächst, bis die Dinge wieder so sind, wie vorher. Das ist normal und ok so. Wer da drängelt, bewirkt oft das Gegenteil.

Oder wir sind auf einer Party/Geburtstag/Hochzeit und kennen kaum Leute. Ich hab oft die Erfahrung gemacht, dass sich meistens irgendwelche interessanten Gespräche ganz von selbst ergeben, wenn ich kein völlige Gestresstheit ausstrahle und panisch denke: Warum braucht das so lange, bis ich mit jemandem ins Gespräch komme.

Oder du fängst einen neuen Job an und willst natürlich alles ganz schnell durchschauen, verstehen, richtig machen. Manchmal beeilt man sich dann aber so in allem, dass man am Ende viel länger braucht, weil man durch den Stress die wirklich wichtigen Details übersieht. 

Viele von uns studieren oder machen eine Ausbildung. Kennst du das Gefühl bei einer Hausarbeit, dass du am liebsten alle Bücher auf einmal lesen würdest, um endlich zu checken, worum's in deinem Thema eigentlich geht. Auch da hab ich oft die Erfahrung gemacht, dass umso mehr ich mich stresse, desto länger braucht es oft, bis ich in der Materie bin. Wenn ich das Tempo mitgehe, dass so eine Hausarbeit/Studienarbeit/Doktorarbeit halt nunmal braucht, komm ich am Ende viel schneller ans Ziel.

VORBILD MOMO

Kennst du das Buch Momo von Michael Ende. Es ist eins meiner Lieblingsbücher. In Momos Welt sind alle extrem gestresst. Keiner hat Zeit. Jeder versucht dementsprechend irgendwo Zeit zu sparen. Alles muss schneller gehen. Hinter der ganzen Sache steckt ein Komplott: eine Gruppe von grauen Männern bunkert die ganze Zeit insgeheim für sich und lebt davon, dass die Menschen immer weniger Zeit haben.

Nur Momo sticht in dem ganzen Zirkus heraus, denn sie hat durchschaut, dass sie umso langsamer sie sich bewegt, sie desto mehr Zeit hat. Sie ist ein Kind, dass das Prinzip Beeilen noch nicht verinnerlicht hat und genau das wird ihr zum Glück. 
Sie lässt den Dingen ihre Zeit und ist damit dem Ziel eines erfüllten Lebens wesentlicher näher, als all die, die dauernd gegen die Drehtüre drücken. 

In diesem Sinne: Wenn du Stress hast, dann gib den Dingen ihre Zeit! So geht's oft am schnellsten vorwärts.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hi! Hier kannst du einen Kommentar schreiben. Geht auch anonym. Ich freu mich über jeden Kommentar!