Ein paar Gedanken zu Härles Text über die Liebe

Guten Morgen!

Am Freitag hab ich euch ja den tollen Text von W. Härle präsentiert. Heute will ich ein paar Sätze dazu schreiben.

"Das Natürliche ist doch eher die Vorstellung, daß die menschliche Sehnsucht nach erfülltem Leben (also nach Heil) dadurch gestillt wird, daß einem Menschen Liebe begegnet und zuteil wird, anstatt daß er sich auf ein Gegenüber hin ausrichtet und sich ihm zuwendet. [...]

Ich finde es genial, dass er unsere "natürliche" Vorstellung hinterfragt und in Frage stellt. Meistens sind wir uns nämlich nicht einmal bewusst, dass wir eine natürliche Vorstellung davon haben, wie unsere Sehnsucht nach erfülltem Leben gestillt wird. 

Und dann habe ich mich sehr getroffen gefühlt. Denken wir das nicht insgeheim oft, dass unser Leben wesentlich erfüllter und glücklicher wäre, wenn wir mehr Liebe von unserem Kollege, Chef, Nachbarn, Ehepartner, Freund(in), Kind... bekommen würden?
"Wenn nur endlich Person XY ein bisschen geduldiger, verständnisvoller, freundlicher, interessierter an mir wäre, dann wäre ich wesentlich glücklicher."

Oder anders formuliert: Ist dir das unbewusst klar, dass es dich vielleicht mehr erfüllen könnte zu lieben als Liebe zu empfangen? Oder ist das für dich erst mal ein kontraintuitiver Gedanke?

Es gehört jedoch zu dem nicht aufhebbaren Geheimnis der Liebe, daß Menschen gerade in der – nicht berechnenden – Zuwendung zu einem anderen Erfüllung finden und so zugleich zu sich selbst kommen.

Das ist wirklich ein Geheimnis!
Warst du schonmal verliebt? So richtig verknallt? So, dass du an nichts anderes denken konntest als daran, wie hammer, genial, sexy, spannend, perfekt diese Person ist? Du wärst bereit gewesen, alles für sie zu tun. Hauptsache, sie ist glücklich. Hauptsache, es geht ihr gut. Hauptsache, sie freut sich.
Ist so zu lieben nicht paradoxerweise total erfüllend?
Hast du dich in dem Moment des Liebens mehr du selbst gefühlt oder weniger? 

Der Mensch erreicht seine Bestimmung zum Ebenbild des Gottes, dessen Wesen die Liebe ist, indem er von der Fixierung auf sich selbst frei wird und gerade so sich selbst findet. Nie ist ein Mensch mehr bei sich selbst, als wenn er selbstvergessen für einen anderen da ist. [...]

Oh, diese tragische Fixierung auf sich selbst. Sie ist das große Verhängnis der Menschheit. Wir wollen uns selbst finden: unser Glück, unsere Bestimmung, unseren Sinn. Und wir kümmern und drehen uns um uns, uns, uns. Wir bleiben bei uns und finden nicht. 
Das Evangelium, die gute Nachricht des Christentums, ist BEFREIUNG von der Fixierung auf sich selbst.
Und weil Gott uns befreit, werden wir frei für andere und plötzlich merken wir, dass wir genau in dieser Freiheit und Kapazität für andere, unsere Bestimmung finden.

Zu solcher selbstvergessenen Zuwendung muß ein Mensch aber dadurch erst befähigt werden, daß ihm Liebe zuteil wird, die er sich nicht verdienen kann und nicht verdient hat. Wer sich geliebt weiß, wer also aus empfangener Liebe lebt, dem ist die Sorge um sich und um sein Heil abgenommen, und er kann sich darum anderen selbstvergessen zuwenden, ihnen die Erfahrung des Geliebtwerdens vermitteln und darin zugleich Erfüllung finden." 

Das Leben funktioniert nur, wenn man sich geliebt weiß! Wer sich nicht geliebt weiß, muss sich um sich selbst sorgen. Er bleibt fixiert auf sich. Und verfehlt gerade darin seine Bestimmung und dementsprechend ein erfülltes Leben. 
Alles beginnt mit der Liebe. Und alles endet mit der Liebe. Sie befreit uns für sich selbst.

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