Warum wir nicht richten sollen

Paulus schreibt mal in einem Brief an die Gemeinde in Korinth: 
"Ich beurteile mich aber auch selbst nicht...Der mich aber beurteilt, ist der Herr." (1. Kor 4,4-5).

Ich finde es manchmal erschreckend, wieviel Zeit unseres Lebens wir damit verbringen, uns selbst und andere Menschen zu beurteilen

Fast jeder von uns hat irgendwelche inneren Maßstäbe, Regeln, Normen, Gesetze, anhand derer man das Verhalten von sich selbst oder anderen bemisst und dann als gut oder schlecht bewertet.

Aber wer sagt uns eigentlich, dass unser Maßstab der richtige ist? 
Jesus sagt: "Richtet nicht!...und verurteilt nicht!" (Lukas 6,37). Paulus sagt das ganz ähnlich in 1. Korinther 4,5: "So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt!" 

Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth gehen sogar so weit zu sagen, dass das Sünder-Sein des Menschen gerade darin besteht, dass wir uns anmaßen, Richter zu sein bzw. das Richten und Verurteilen nicht Gott überlassen, sondern selbst durchführen.

UND IM ALLTAG?

Aber was heißt das dann für die Praxis, für unseren Alltag? Gibt uns das nicht lebensnotwendige Orientierung, dass wir ständig bewerten, wer gut und wer schlecht ist (Parteien, Freunde, Staaten, Gemeinden, Fußballmannschaften, ...)? 
Machen wir nicht unser Selbstwertgefühl davon abhängig, in welchem Maß wir uns unserem inneren Gesetz entsprechend verhalten haben (was auch immer das dann für jeden Einzelnen konkret ist)?

I don't know... :-)

Was ich allerdings aus diesen Zitaten aus der Bibel mitnehme, ist eine Warnung. Eine Warnung davor, mich zu sehr auf meine Urteile, Analysen, Beurteilungen und Einschätzungen zu verlassen. Denn meine Sicht ist beschränkt, mein Erkennen nur stückweise. All mein Richten steht unter dem großen Vorbehalt meiner menschlichen Fehlbarkeit. Deshalb halte ich meine Urteile "leicht". Ich bin mir bewusst, wie fehlbar ich bin und versuche mich dementsprechend offen zu halten für das korrigierende Reden des Heiligen Geistes. 

WER BIN ICH?

Wer bin ich, dass ich in einem letzten Sinn, mein eigenes Denken, Reden und Handeln bewerten könnte? Wenn ich das schon nicht bei mir kann, wieviel weniger bei anderen. 
Das überlasse ich in einem letzten Sinn Gott. 

So sind all meine Urteile und Verurteilungen vorläufig, denn nur Gott "wird das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren" (2. Kor 4,5). 
Und dann wird es so manche positive Überraschung geben. Paulus fährt fort: "Und dann wird jedem sein LOB werden von Gott." (2. Kor 4,5). 

GUTE AUSSICHTEN

Dass Gott richtet (und nicht ich), ist für mich keine bedrohliche, sondern eine tröstende Aussicht. Warum? Weil Gott die Liebe ist. Er ist voller Wohlwollen, Gnade, Barmherzigkeit und Güte. Ihm und seinem Urteil vertraue ich mich gerne an. Denn vor der Liebe muss ich keine Angst haben. Vor meinen eigenen Urteilen dagegen oft schon.

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